Die Kunst lebt und überlebt, indem sie permanent die Grenzen dessen, was als Kunst definiert und kanonisiert wird, verschiebt und überschreitet. Ihr Kreations- und Innovationspotenzial zeichnet sich immer auch durch ein Transgressionsmoment aus. Die kontinuierliche Auflösung der Grenzen zwischen den Künsten und über diese hinaus steigert sich symptomatisch im 20. Jahrhundert. An dessen Anfang stehen die Aufbruchbewegungen der Avantgarde, ihre Tabubrüche, Grenzverstöße und experimentellen Kunstüberschreitungen. Am Übergang zum 21. Jahrhundert tritt die Entgrenzungsgeschichte der bildenden Kunst in eine noch radikalere Phase der “Ausweitung der Kunstzone” ein: Kunst interagiert unmittelbar mit Politik und gesellschaftlichem Leben. 

Anhand bahnbrechender Künstlerfiguren und Kunstbewegungen gibt die Vorlesung einen Überblick über die wichtigsten historischen und konzeptionellen Stationen einer Entgrenzungs- und Ausweitungsgeschichte der Kunst von der Idee des Gesamtkunstwerks über die experimentellen Kunstpraktiken und Ästhetiken der Avantgarde und Nachmoderne bis hin zur gegenwärtigen Intervention der Kunst in den öffentlichen Raum als politischen Ort der Lebensgestaltung und Meinungsbildung. Im Mittelpunkt der historisch-kritischen und interdisziplinären Analyse stehen die Auflösung der Grenzen zwischen den Einzelkünsten, zwischen bildender und darstellender Kunst, Kunst und Natur, Kunst und Leben, Kunst und Technik/Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft sowie Kunst und urbanem Raum.