Vielen Dank für Ihr Interesse an diesem Thema! 

"Entdeckungsorientierte Instruktion", oder kurz bezeichnet mit dem Akronym "EOI" ist eine Weiterentwicklung des ursprünglichen "Entdeckenden Lernens". 

"Entdeckendes Lernen" ist bereits 1959 durch eine Konferenz führender Lern- und Entwicklungspsychologen sowie Lehrender nahezu aller Studienfächer initiiert worden. Die Konferenz hat in Woods Hole, in der Nähe der Harvard Universität stattgefunden und wird deshalb bis heute als "Woods Hole Konferenz" bezeichnet. 

Jerome S. Bruner (1960) hat die Ergebnisse zusammengefasst und  "Learning by Discovery" als neue Konzeption des Lernens und Lehrens propagiert. Ein Originalbeitrag von Bruner findet sich auch in meinem Sammelband "Entdeckendes Lernen", der bereits 1981 in einer dritten Auflage erschienen ist. 

Die Konferenz hat praktisch unmittelbar danach  weltweite Pro- und Kontra-Diskussionen über entdeckendes Lernen ausgelöst, die erstaunlicherweise bis heute anhalten.  

Auch in der deutschsprachigen Pädagogik sind besonders ab 1970 viele interessante Projekte und praktische Methoden für entdeckendes Lernen entwickelt worden (z. B.  Klewitz & Mitzkat, Hrsg., 1977. Entdeckendes Lernen und offener Unterricht). Bildungspläne und Curricula für nahezu alle Fächer sind nach Entdeckungsprinzipien verändert und neu konzipiert worden (z. B. Deutscher Bildungsrat, 1974: Zur Förderung praxisnaher Curriculum-Entwicklungen). Entsprechende aktuelle internationale Entwicklungen kommen in der Veranstaltung zur Sprache. Die Frage ist in dem Fall: Wieviel entdeckendes Lernen steckt in neueren Bildungsstandards und Konzeptionen des Unterrichtens?   

Damit soll der kurze Rundumschlag zum Thema des Kurses an der Stelle abgebrochen werden. Aber bereits diese kurze Darstellung lässt vermuten, dass nahezu alle pädagogisch Tätige schon eigene - aktive oder passive - Erfahrungen mit entdeckendem Lernen gesammelt haben. Auch von Ihnen, als Teilnehmerinnen und Teilnehmer kann erwartet werden, dass sie bereits einiges darüber wissen, zumindest eine eigene Meinung dazu haben, dass ihnen aber auch bewusst ist, dass noch vieles dazu geklärt werden sollte. 

Daher folgende Fragen an Sie:

 Was ich über Entdeckendes Lernen schon weiß: ........

Was ich noch nicht weiß: Meine Fragen:  ......................

Hinweis: Zu jeder Frage k ein kurzes Brainstorming und die produzierten Ideen aufschreibenWichtige Fragen können in der Veranstaltung geklärt werden.


Mit diesen beiden Aufgaben werden zweifellos eigene Denkprozesse über das Tema der Veranstaltung angeregt. Beim entdeckungsorientierten Lernen sind solche, auch als kognitiv bezeichnete Prozesse für das Selbst-Herausfinden von Wissen sogar unverzichtbar. Die Orientierung auf Denkprozesse  entspricht sogar einem Grundprinzip aller Versionen und Varianten entdeckenden Lernens. 

Allerdings wird das auch im aktuellen Unterricht, selbst im Studium oft nicht beachtet. Es gibt aber Möglichkeiten, dieses und andere Prinzipien und Merkmale entdeckungsorientierter Instruktion schrittweise und progressiv auf höchst einfache Art zu implementieren (z. B. mit der Stop-Point-Methode).  

In der Veranstaltung wird auf - weitere grundlegende Prinzipien, - auf definierende Merkmale, - zugrundeliegende Modelle, - deren Weiterentwicklungen, und nicht zuletzt - auf ein Spektrum an praktischen Methoden für alle Fächer und Schulstufen eingegangen werden. 

In jeder der sechs Doppelstunden sind zudem auf die eigenen Fächer bezogene Aktivitäten eingebaut (sie lassen sich ohne weiteres als wissensgenerierende Lernaufgaben auffassen). Auch der eigene Wissensstand kann so selbst überprüft werden. 

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Hier noch eine leicht verständliche kurze Beschreibung Entdeckenden Lernens.

Quelle: Neber, H. (2009). Entdeckendes Lernen, In K.-H- Arnold, U. Sandfuchs & J. Wichmann (Hrsg.), Handbuch Unterricht. 2. aktualisierte Auflage (214-2189. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Entdeckendes Lernen

Unter der Bezeichnung „entdeckendes Lernen“ (EL) werden eine Reihe unterschiedlicher Instruktionsmethoden zusammengefasst. Deren gemeinsames Merkmal ist, dass stets solche Lernprozesse ermöglicht werden, die sich auf kognitive Aktivitäten der Schülerinnen und Schüler stützen. Wissen wird also durch im Unterricht ermöglichtes oder angeregtes eigenes Nachdenken generiert und E.L. ist als konstruktivistischer Ansatz der Instruktion einzuordnen. Historisch lässt er sich zumindest bis Dewey (How we think) zurückführen. Den wohl wichtigsten Anstoß haben allerdings Ergebnisse der Kognitionsforschung geliefert, die Bruner  zusammenfasste (Neber, 1982). Auch nach neueren Erkenntnissen ist selbst generiertes Wissen behaltens- und transferwirksamer als rezeptives Lernen. Zudem wird so intrinsische Motivation gefördert. In den 1970er Jahren sind dazu Curricula für naturwissenschaftliche Fächer entwickelt worden, die neben dem Erwerb transferierbaren fachspezifischen Wissens besonders die Entwicklung von Fertigkeiten selbständigen Forschens anstrebten (inquiry skills). Mit den Ende der 1990er Jahre formulierten amerikanischen Standards für den naturwissenschaftlichen Unterricht haben Methoden entdeckenden Lernens (auch als inquiry oder forschendes Lernen bezeichnet) nun auch im deutschen Sprachraum erneut aktuelle Bedeutung erlangt.

 Drei Grundversionen ELs sind zu unterscheiden (vgl. Neber, 2006): EL durch Konfliktinduktion und –lösung, EL durch Beispiele und Erklären sowie EL durch Explorieren und Experimentieren.

 Ein dosiertes Ausmaß an kognitiver Konfliktinduktion im Unterricht kann durch Darbietung widersprüchlicher Information oder, wie in Suchmans „inquiry training“ (Neber, 1982) durch Präsentation physikalischer Versuche mit überraschendem Ausgang erzeugt werden. Daraus resultiert kognitives Ungleichgewicht, das im optimalen Fall Neugier als motivationale Voraussetzung für weiteres Fragenstellen und gezielte Informationssuche der Schüler auslöst. EL durch Konfliktinduktion und –lösung kann dazu beitragen, dass Schüler ihr bisheriges Wissen umstrukturieren (conceptual change). Zur Realisierung stehen Modelle von Lernzyklen zur Verfügung (s. Neber, 2006). In stark gelenkter Form findet es sich beim sokratischen Lehren.

EL durch Beispiele und Erklären ist aus Forschungen zum Erwerb von Begriffen abgeleitet und repräsentiert die früheste Version ELs. Grundidee ist, Lernenden lediglich Beispiele oder Fälle von zu erwerbenden Begriffen zusammen mit Nicht-Beispielen zu bieten. Durch Analyse und Vergleich solcher Lernmaterialien induzieren Schüler die definierenden Merkmale und konstruieren ihr Wissen über konkrete (z. B. Haushaltwaren) und abstrakte Begriffe (z. B. chemische Reaktion) somit durch eigene kognitive Aktivitäten. Zur Analyse von Beispielen/Fällen sollten allerdings erforderliche Fertigkeiten (z. B. Selbsterklärungsstrategien) vermittelt werden.

 Die komplexeste Version ELs ist das Lernen durch Explorieren und Experimentieren, das auch als forschendes Lernen bezeichnet wird. Ziel ist die Generierung kausalen Wissens als Resultat eines aktiven Forschungszyklus. Dieser ist in Phasen organisiert, beginnend mit der Beobachtung von Phänomenen, über das Stellen von Untersuchungsfragen, Hypothesenbilden, Planen und Durchführen, Interpretieren und Kommunizieren der Resultate. Für Schüler ist es schwierig, vollständige Forschungszyklen zu organisieren. Daher sollte von zunächst stark gelenkten Formen zu offeneren Formen übergegangen werden. Für alle Versionen ELs gilt, dass sie von stark gelenkt bis weitgehend schülergesteuert durchgeführt werden können. Völlig ungelenkte Formen ELs finden sich allerdings nicht. Es wäre daher ein Missverständnis, EL mit ungelenktem Lernen zu verwechseln.

Einführende Literatur

Neber, H, (Hg.) (31982): Entdeckendes Lernen. Weinheim – Neber, H. (2006): Entdeckendes Lernen. In: D.H. Rost (Hg.): Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. 3. überarb. Aufl. Weinheim

Heinz Neber