Proseminar mit Übung Textkompetenz FNZ

„Weiberregiment“ – Geschlecht, Macht und Herrschaft in der Frühen Neuzeit

Die Besetzung der höchsten politischen Ämter durch Frauen gilt in der Gegenwart als Kennzeichen von Gleichberechtigung und Modernisierung. Dies hängt nicht zuletzt mit der weitverbreiteten Vorstellung zusammen, dass Frauen erst mit der Einführung des allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrechts (in Deutschland 1919) „Politikfähigkeit“ erlangt hätten. Tatsächlich ist jedoch mit dem Ende des Alten Reiches im Jahr 1806 und der vorausgegangenen Säkularisation das Wissen um die legitime Herrschaftsausübung von Frauen in der Vormoderne gegangen. Bis dahin übernahmen adlige Frauen als (vormundschaftliche) Regentinnen und Witwen stellvertretend die Herrschaft ihrer Männer und Söhne, regierten Erbtöchter (wie Maria Theresia von Österreich oder Elizabeth I. von England) ebenso wie die Äbtissinnen der Reichsklöster und -stifte qua eigenen Rechts. Aber nicht nur im Adel, sondern auch in anderen ständischen Schichten waren Frauen als Teil des „Arbeitspaares“ (Heide Wunder) an der Herrschaft über Kinder und Gesinde, an der Amtsführung im Pfarrhaus oder als Meisterinnen am Handwerk beteiligt. Dabei war die Herrschaftsbeteiligung von Frauen im staatstheoretischen und gesellschaftspolitischen Diskurs der Frühen Neuzeit keinesfalls unumstritten, sondern immer wieder Gegenstand von Streitigkeiten („Querelle des femmes“).

Anhand verschiedener westeuropäischer Fallbeispiele werden im Seminar sowohl unterschiedliche Formen weiblicher Herrschaft in der Frühen Neuzeit, deren rechtliche Bedingungen ebenso wie die zeitgenössische Kritik als auch (geschichts-)wissenschaftliche Konzepte auf der Grundlage von Sekundärliteratur und kurzen Quellenauszügen erarbeitet. Ziel ist es, anhand weiblicher Handlungsräume und Rollenbilder grundlegende Ordnungsvorstellungen der Frühen Neuzeit deutlich zu machen. Ein methodischer Schwerpunkt des Seminars liegt auf dem kritischen Verständnis von Forschungsliteratur. In Verbindung mit der begleitenden Übung zur geschichtswissenschaftlichen Textkompetenz wird zudem das Verfassen wissenschaftlicher Texte praktisch eingeübt.

Literatur: Sharon L. Jansen, The Monstrous Regiment of Women. Female Rulers in Early Modern Europe, New York 2002; Katrin Keller (Hrsg.), Gynäkokratie. Frauen und Politik in der höfischen Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: zeitenblicke 8 (2009); Heide Wunder, „Er ist die Sonn‘, sie ist der Mond“. Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992.