Auf den ersten Blick könnten sie unterschiedlicher kaum sein: George Sand, im Frankreich des frühen 19. Jahrhunderts als Tochter eines Kleinadeligen geboren, und Mouloud Feraoun, aufgewachsen im ruralen Raum Nordalgeriens im darauffolgenden Jahrhundert. Literarisch scheint sie jedoch ein gewisses Interesse an einer Form des Erzählens zu verbinden, das sich stark an biographischen Erfahrungen orientiert. So wird Mouloud Feraouns literarisches Debüt Le fils du pauvre (1954) in der einschlägigen Forschung nicht nur als Gründungstext der maghrebinischen Literatur in französischer Sprache bezeichnet, sondern – fälschlicherweise – oftmals auch als Autobiographie. George Sand wiederum verfasste mit Histoire de ma vie (1854/55) einen dezidiert autobiographischen Text, der sich jedoch kaum mit den Maßstäben der Rousseau‘schen Autobiographietradition fassen lässt. Beide Texte werfen mithin die Frage nach dem Verhältnis zwischen Autor_in, Erzähler_in und Protagonist_in auf: Wer schreibt, wer erzählt, wer spricht? Inwiefern lassen sich Fakt und Fiktion trennen, und was sagt all dies über die Funktionsweise literarischer Texte aus?

Ziel des Proseminars ist die Vertiefung sowohl literarhistorischer als auch methodologischer Grundkenntnisse der französischen Literaturwissenschaft. Darüber hinaus wird ein besonderes Augenmerk auf die kulturwissenschaftliche Perspektive gelegt, und die Studierenden werden an das Arbeiten mit ausgewählten theoretischen Ansätzen herangeführt. Die Lektüre der genannten Primärtexte bereits während der vorlesungsfreien Zeit wird dringend empfohlen.

Bitte lesen Sie zur Vorbereitung auf das Proseminar in der angegebenen Ausgabe:

Feraoun, Mouloud: Le fils du pauvre. [1954] Paris: Seuil, 1995. (ISBN: 978-2020261999)

Sand, George: Histoire de ma vie I. Première partie. [1854/55] Paris: Flammarion, 2001. (ISBN: 978-2080711397)

Voraussetzung für das Erbringen der Prüfungsleistung (Hausarbeit) ist die aktive Teilnahme (Arbeitsaufträge/Kurzreferat).