(MA-Modul 4 und BA-Modul 6: Mi 12 Uhr) 

„Jüdische und christliche Zugänge zur Gottebenbildlichkeit des Menschen und seiner Schöpfungsverantwortung“

 

Was heißt es, im Bild oder als Bild Gottes (imago Dei) geschaffen zu sein? Dieser Frage wollen wir nachgehen, indem wir uns zunächst die zugrundeliegenden Bibelstellen anschauen (Gen 1,26f; 5,1-3; 9,6), denn die hier auftretenden exegetischen Problemstellungen haben eine Reihe verschiedener Interpretationen im Laufe der Wirkungsgeschichte dieser Texte motiviert. Wir werden exemplarische Deutungsmodelle der Gottebenbildlichkeit des Menschen sowie deren ethische Implikationen und Konsequenzen diskutieren.

 

1.     Zunächst konzentrieren wir uns auf das mimetische Deutungsmodell, das beschreibt, inwiefern Gott und Mensch einander ähnlich sind bzw. werden können. In diesem Zusammenhang werden wir Luthers Einwände gegen Augustins einflussreiche, in De trinitate vorgebrachte Idee vom Menschen als Abbild der göttlichen Dreifaltigkeit sowie jüdischerseits die anti-mimetischen Zugänge von Lévinas und Jabès analysieren.

2.     Die relationale Deutung der Gottebenbildlichkeit richtet sich nicht zuvörderst auf bestimmte Züge und Eigenschaften, die Gott und Mensch gemeinsam sind, etwa die Freiheit, sondern vor allem auf das Gegenüber und Ich-Du-Verhältnis von Gott und Mensch – so Bonhoeffer in Schöpfung und Fall, davon inspiriert Barth in seiner Kirchlichen Dogmatik. Damit zu vergleichen sind die entsprechenden Kapitel bei Ebeling und Thielicke.

3.     Das dynamische Modell der (Ent-)Bildung versteht die Gottebenbildlichkeit nicht als etwas Gegebenes, sondern als etwas, das erst durch einen Entwicklungs- oder Verklärungsprozess erreicht werden muss, wobei Aktivität und Passivität auf spannende Weise miteinander verschränkt sind, z.B. bei Pico della Mirandola, Meister Eckhart und Kierkegaard.

4.     Beim funktionalen Verstehensmodell, das dem von seinen Autoren intendierten Sinn der biblischen Texte am nächsten kommen dürfte, steht die Schöpfungsverantwortung des Menschen im Mittelpunkt. In diesem Zusammenhang werden wir erörtern, welche Ansätze den aktuellen Herausforderungen wie der globalen Klimaveränderung am ehesten gewachsen sind.

 

Insbesondere das relationale Modell ist dialogphilosophisch inspiriert, weshalb wir – im Blick auf Rosenzweig und Benjamin – auch die Bedeutung der Sprache für das Verhältnis zwischen Gott und Mensch untersuchen werden. Darüber hinaus werden zeichen- und bildtheoretische Überlegungen (Peirce und Mitchell) zum Tragen kommen: Inwiefern kann der Mensch als ein leibhaftes, kommunizierendes Bild verstanden werden, das mit Worten oder ohne Worte spricht?

 

Erste Sitzung: 8. April

Letzte Sitzung: 15. Juli

Zum Seminar gehört zudem der theologisch-pädagogisch-sprachphilosophische Studientag am 5. Juni, 11.30-17.30 Uhr: „‚Aller Unterricht endet in einer Art Schweigen‘: Sprache und (in)direkte Mitteilung bei Hamann und Kierkegaard“

 

Die individuellen Themen der Referate und Hausarbeiten vereinbaren wir im Laufe des Semesters. Bitte beachten Sie, dass die Abgabefrist der Hausarbeiten auf 15. August 2020 festgelegt ist.

 

Literatur zur Vorbereitung:

-       einschlägige Lexikonartikel (TRE, RGG etc.)

-       Claudia Welz,  „Imago Dei – Bild des Unsichtbaren in: Theologische Literaturzeitung 136/5 (2011), 479-490.

Wenn Sie mehr lesen wollen, dürfen Sie gern auch in folgendes Buch bzw. die Online-Diskussion darüber hineinschauen:

-       Claudia Welz, Humanity in God’s Image: An Interdisciplinary Exploration, Oxford: Oxford University Press 2016 und hierzu die international Diskussion beim Syndicate Symposium: https://syndicate.network/symposia/theology/humanity-in-gods-image/.