Die Art und Weise, wie uns Dinge zu sehen gegeben werden, ist stets kulturell geprägt und medial vermittelt. So entstehen auf narrative, piktoriale, fotografische, oder digitale Weise Bedeutungen. Eine zentrale Rolle nehmen bei dieser Bedeutungszuweisung die Künste sowie Kunst- und Kulturinstitutionen wie Museen, Archive und Sammlungen ein. An dem Umgang mit Artefakten, verstanden als Materialisierungen eigener und fremder Kultur, lassen sich bedeutende historische und aktuelle Verhandlungen von Alterität ablesen (Genge/Stercken): an ihnen entscheidet sich, was als „Objekte der Anderen“ wahrgenommen wird und was nicht. Die Hierarchisierung von Kunstwerken und Artefakten verlief in der Kunstgeschichte über eine angenommene Atemporalität und Ahistorizität vorgeblich „primitiver“ Kulturen. Ihre Artefakte wurden und werden daher nicht in Kunstmuseen, sondern in Ethnologischen Museen als Zeugnisse einer homogen und räumlich gedachten fremden Kultur ausgestellt  – nach wie vor steht in großen Teilen eine Auseinandersetzung mit der Historizität, aber auch Zeitgenossenschaft und Gegenwärtigkeit dieser Artefakte aus. So spiegeln sich in den aktuellen Restitutionsdebatten europäischer Museen ebenso neokoloniale Verhältnisse wider wie in den umstrittenen Repräsentationsstrategien des Berliner Humboldt-Forums, das die koloniale Aufteilung der Welt erneut in die Ordnung der Sammlung einschreibt.

In gleichsam umgekehrter Richtung entsteht im Zuge internationaler Fluchtbewegungen eine Vielzahl von häufig unbekannten Sammlungen und Archiven der Migration. Die Sammlungen stammen aus forensischen Analysen (Cattaneo), ethnographischer und musealer Feldforschung (Museum Friedland), aktivistischen (PortoM Lampedusa) und künstlerischen Projekten (Ricciardi) sowie aus forscherischen Zusammenhängen (Materialität der Migration – open archive). Das Seminar fragt nach den unterschiedlichen Perspektiven dieser Sammlungen auf seine Gegenstände. Es beschäftigt sich mit dem Einfluss des „material turn“ auf die Wahrnehmung der Dinge und untersucht die Präsentationen und Narrationen, in die die „Objekte der Anderen“ eingebettet sind.