Im Jahr 2020 wurden in Deutschland ca. 50 Milliarden Euro vererbt. Die Frage, wem das Erbe eines Verstorbenen gehört, ist daher nicht trivial, sondern aus individueller, familialer und gesellschaftlicher Sicht höchst brisant. Der Erhalt von Erbe oder dessen Ausbleiben prägt zutiefst individuelle Lebenswege, den Zusammenhalt in der Familie und gesamtgesellschaftliche Vermögensungleichheiten. Die Frage, wer Erbe erhalten soll, ist daher auch nicht neu. Seit dem 18. Jahrhundert wird in den USA und in Europa intensiv diskutiert, wer rechtmäßig Anspruch auf das hinterlassene Vermögen eines Verstorbenen erheben und es sich aneignen kann.

Die Antworten in dieser Debatte fielen je nach sozialer Gruppe, politischer Orientierung oder zeitgenössischen Kontext anders aus. Im Seminar werden wir uns diese Diskussion im diachronen Längsschnitt mit dem Schwerpunkt auf Deutschland und Seitenblicke in die USA und die Sowjetunion anschauen. Wir werden analysieren, welche Gruppen, wann, welche Argumente für Erbverteilungen z.B. an Familienmitglieder, Stiftungen, die Kommune oder den Staat vorbrachten. Auf übergeordneter Ebene werden wir uns dadurch mit verschiedenen Perspektiven auf und Interpretationen von Staat, Familie und Individuum auseinandersetzen ebenso wie mit unterschiedlichen Vorstellungen von Leistung, Gerechtigkeit und Ungleichheit. Nicht zuletzt geht es darum, aktuelle Debatten um die Erbschaftssteuer und die Genese gegenwärtiger Erbverteilungen zu verstehen und historisch zu verorten.