Propheten bilden eine Konstante menschlicher Religionsausübung, die sich in Gesellschaften aller Couleur wiederfindet. Als Vertreter heterodoxer Überzeugungen stehen sie meist in Oppositionen zur institutionalisierten Religion und berufen sich dabei auf (vermeintliche) Eingebungen durch höhere Mächte. Dementsprechend ist das Erscheinen eines Propheten oft mit Konflikt verbunden, vermag jedoch auch große Menschenmassen zu mobilisieren und Reiche zu stürzen (oder neue zu begründen).

Das Proseminar hat zum Ziel, die Figur des Propheten nicht aus theologischer oder metaphysischer, sondern aus einer religionssoziologischen Perspektive zu betrachten, die den Propheten als eine soziale Konstruktion versteht. Anhand historischer Beispielfälle soll analysiert werden, mit welchen kommunikativen Strategien Propheten ihre Autorität in religiösen Fragen zu behaupten versuchten und unter welchen soziokulturellen Voraussetzungen Akteure gewillt waren, die Deutungshoheit eines Propheten anzuerkennen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem lateineuropäischen Mittelalter sowie dem Wirken von Prophetinnen und Propheten wie Alpais von Cudot, Girolamo Savonarola oder Petrus dem Einsiedler. Ausgehend davon soll in der zweiten Hälfte des Kurses der Blick auf Beispiele aus anderen Teilen der Welt erweitert werden, darunter etwa Abdallâh al-Mahdî, der als verborgener Imam ein Großreich in Nordafrika begründete oder Nichiren, der mit seinen Lehren die Schulen des japanischen Buddhismus zusammenzuführen versuchte.

Literatur

  • Bourdieu, Pierre (1971): Genese und Struktur des religiösen Feldes, übers. v. Andreas Pfeuffer, in: ders. (Hrsg.): Das religiöse Feld. Texte zur Ökonomie des Heilsgeschehens, Konstanz 2000, S. 39-110.
  • Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, Tübingen 1922, Teil II, Kap. IV.