Goethes „Festspiel“ Pandora wurde lange vernachlässigt. Mittlerweile gilt das Fragment gebliebene Stück von 1808/09 als wenn ein Schlüsselwerk in seinem Schaffen. Nach der Veröffentlichung von Faust I 1808 leitet die Pandora Goethes nach-klassisches Spätwerk ein, und zugleich markiert das Stück Goethes Hinwendung zu sozialen Problemen. In der Pandora finden sich eine oft überraschend genaue Beobachtung der beginnenden industriellen Gesellschaft, und selbst Phänomene wie Klassenbildung und Ausbeutung fasst Goethe scharf ins Auge. Reflektiert wird dies alles bei Goethe aber als ästhetisches Form-Problem: Können Prozesse der sozialen Spaltung und Fragmentierung überhaupt noch in Form ästhetischer Ganzheiten dargestellt werden? Und welche Form-Konzepte sind einer Wirklichkeit adäquat, die sich selbst permanent revolutioniert? Mit diesen Fragen eröffnet Goethes Pandora die ästhetische Moderne. und bringt deren Probleme wie verschiedene mögliche Lösungen schon prägnant auf den Punkt.
Im Seminar werden wir das kurze Stück – es nimmt kaum 35 Druckseiten in Anspruch – im Hinblick auf soziale und ästhetische Form-Fragen diskutieren. Auszugsweise herangezogen werden weitere Texte Goethes aus dem Jahrzehnt nach 1809: die Sonette, Schriften zur Morphologie, Kunst- und Literaturkritiken. Schließlich werden wir auch einen Blick in den Roman Die Wahlverwandtschaften werfen. Das Seminar bietet so einen konzentrierten Einstieg in Goethes Werk und zugleich in das problematische Verhältnis von Kunst und Gesellschaft in der Moderne.
- Lehrende(r): Patrick Eiden-Offe