Die 20er und frühen 30er Jahre des 20. Jahrhunderts erleben in der Popkultur gerade eine Renaissance. Max Raabe begeistert(e) mit seinem Palastorchester, TV-Serien wie „Babylon Berlin“ oder „Eldorado KaDeWe“ sorgen für hohe Einschaltquoten und Inga Humpe von 2Raumwohnung bietet dazu den passenden Soundtrack. Auf den Besetzungslisten stehen Journalist*innen, Mannequins, Ingenieure, Angestellte, Sekretärinnen, Prostituierte, Kinogänger, Industrielle, ‚Girls‘ und Liebespaare, sie erscheinen wie Leihgaben aus den Gedichten, Schlagern, Dramen, Erzählungen und Romanen der 'Neuen Sachlichkeit'. Die 'Neue Sachlichkeit' ist ein Kulturprojekt, das sich in den Goldenen Zwanzigern und frühen 1930er Jahren zunächst positiv und mit Beginn der Weltwirtschaftskrise auch kritisch mit der modernen Industrie-, Medien- und Massengesellschaft der Weimarer Republik auseinandergesetzt hat. Vor allem die neuen Rollenmuster und Liebeskonzepte erscheinen zunächst überraschend vertraut. Die Neue Frau wirkt (in Teilen) wie eine Schwester heutiger Feminist*innen, die sachliche Liebe scheint abgeklärten Partnerschaftsmodellen Pate gestanden zu haben. Im Seminar wird es u.a. darum gehen, die Gender- und Liebesdiskurse zu rekonstruieren und sie in einer historischen Perspektive als Teil der Semantikevolution zu lesen. Dabei werden wir uns auf das Instrumentarium der Genderstudies, der historischen Diskursanalyse und der semantikgeschichtlichen Systemtheorie stützen.
- Lehrende(r): Elke Reinhardt-Becker