Ausgehend von einem aufklärerischen Anspruch wird der Literalität, dem Lesen und Schreiben können, normativ eine hohe Bedeutung zugeschrieben. Im Zuge von internationalen Kompetenzmessungen sowie der leo. - Level-One-Studie für Deutschland konnte nicht nur Klarheit über die Größenordnung des Phänomens „geringe Literalität“ geschaffen, sondern auch mit der Selbstverständlichkeit eines kompetenten Schriftsprachgebrauchs, der als legitime Literalitätsform konstruiert wird, gebrochen werden. Alphabetisierung gerät immer mehr in die Kritik, Menschen aus einem kulturtechnischen Verständnis heraus an die Schriftsprache heranzuführen, ohne jedoch zu berücksichtigen, in welche Lebenswelten literale Praktiken auf welche Art und Weise eingebettet sind und welche subjektive Relevanz diese im Alltag besitzen. Grundbildung umfasst dagegen mehr als das Lesen und Schreiben und setzt gesellschaftliche Teilhabe in den Fokus, wobei ihre Definition umkämpft ist und unscharf bleibt.

Im Rahmen des Seminars werden wir aktuelle (wissenschaftliche und gesellschaftliche) Diskursstränge des spezifischen Feldes aufgreifen und diskutieren. Dafür nehmen wir Bildungskontexte in den Blick, die verschiedene Alltagsbereiche und -themen (bspw. Arbeit, Politik, Einkaufen, Gesundheit, digitale Medien) zum Lerngegenstand machen, und setzen uns mit dem Schlüsselproblem „geringe Literalität“ vor dem Hintergrund von Teilhabe und Ausschluss kritisch auseinander. Ziel ist es außerdem, die eigene Rolle als angehende Erziehungswissenschaft*lerinnen mit Blick auf die Entwicklung einer pädagogischen Sensibilität für die Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit zu reflektieren.