"Iss, was gar ist. Trink, was klar ist. Red, was wahr ist." Bei Tisch und in vielen seiner Texte, die sich an ein breites Publikum richten, nutzt Martin Luther gern und oft Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten. Er weiß, wie es ist, "in den sauren Apfel zu beißen". Er beklagt, dass Menschen "durch den Korb" fallen, weil sie nicht so gut aussehen. Und er polemisiert: "Wer nicht Kalk hat, muss mit Kot mauern." Er meint damit, dass es zu jeder Zeit Leute gibt, die keine Ahnung haben und doch ihren Senf dazu tun müssen. In diesem Seminar schauen wir uns die Bedeutung von Sprichwörtern und Redensarten bei Luther genauer an. 

Der amerikanische Germanist James C. Cornette hat bereits 1942 durchgezählt: Luther setzt insgesamt 4987 dieser zunächst mündlich überlieferten Phraseme ein. Er entdeckt diesen Sprachschatz neu, als er 1530 antike Fabeln bearbeitet, damit diese im Schulunterricht und zu Hause eingesetzt werden können. In der Tradition der antiken Rhetorik verwendet der Reformator die erprobten und über Generationen geschliffenen sprachlichen Fertigteile bei vielen Gelegenheiten, um „allgemeine Wahrheiten und Lehrinhalte zu konkretisieren“. Der genauere Blick auf Fabel und Sprichwort wird zudem zeigen, dass diese ältesten Textsorten immer noch hochaktuell sind, sprachlich und menschlich.