Schon seit der Antike existierten nachweislich Vorstellungen darüber, wie menschliche Individuen durch Körperpflege, Bewegung, Ernährung u.a. ihren Körper stärken und ihre Gesundheit erhalten könnten. In der Neuzeit, insbesondere im 19. und im 20. Jahrhundert nahmen sich zunehmend die jeweiligen Obrigkeiten, später der moderne Staat, der Gesundheitsfürsorge der Untertanen bzw. Bürgerinnen und Bürger an, etwa durch die Einführung von Krankenversicherungen, die Förderung medizinischer Forschung etc. 

Dass diese staatlichen Strategien immer auch dazu dienten, Bevölkerungen zu kontrollieren und Einfluss auf ihr gesundheitsbezogenes Handeln zu nehmen, wird schon in der Entwicklung der Sozialhygiene im deutschen Kaiserreich greifbar, die in den folgenden Jahrzehnten in unterschiedlichen Dimensionen ausbuchstabiert wurde (Gesundheitskampagnen, §218, eugenische Beratungsangebote). Die Entwicklung dieses biopolitischen Imperativs von staatlicher Seite stand in engem Zusammenhang mit soziokulturellen Veränderungen: Die Lebensreformbewegung etwa erprobte alternative Lebensstile von vegetarischer Ernährung bis zur Freikörperkultur. Am Beispiel der Sexualreform wird auch sichtbar, dass der Bereich der physiologischen und psychischen Gesundheit auch ausgriff auf andere Bereiche, und dass die unterschiedlichen Systeme, etwa (staatliche) Politik und sozialer Alltag/Kultur sich ständig überkreuzten. 

Im nationalsozialistischen System änderten sich die Rahmenbedingungen von Gesundheitspolitik und Körperkultur erneut und standen nun unter den Vorzeichen eines potentiell totalen Zugriffs des Staates auf individuelle Körper etwa in Form von Zwangsuntersuchungen und -sterilisationen. Das Seminar spannt den historischen Bogen von ausgehendem Kaiserreich bis zur Nachkriegszeit und konzentriert sich auf den deutschsprachigen Raum mit Ausblicken ins restliche Europa.