Zahlreiche Texte der 1920er und 1930er Jahre dokumentieren den schleichenden Verfall der Demokratie und die soziale Realität einer durch immense technologische Entwicklungsschübe und die Präsenz populärer massenkultureller Phänomene geprägten Zeit sowie die Herausforderung, den immer komplexer werdenden politischen und ökonomischen Zusammenhängen begegnen zu müssen. Viele Autorinnen und Autoren dieser Zeit kommentierten das Zeitgeschehen und die Krisenhaftigkeit der Zwischenkriegsjahre sowohl in Romanen, Erzählungen und lyrischen Texten, als auch in Reportagen und Feuilletons, etwa Erich Kästner, Vicki Baum, Joseph Roth, Egon Erwin Kisch und Gabriele Tergit. Ihre Arbeiten sind als Spiegel einer fragilen Umbruchzeit und ihrer gesellschaftlichen Prozesse rezipierbar, sie ästhetisieren die (Lebens-)Bedingungen einer sich im radikalen Wandel befindenden Welt, in der alles unsicher und neu (verhandelbar) zu sein scheint. Dazu gehören sich ändernde Geschlechterrollen, aber auch Generationenkonflikte sowie Konsequenzen des rasant wachsenden gesellschaftlichen Gefälles. Insofern sind die Autorinnen und Autoren dieser Jahre gleichermaßen Zeugen wie Chronisten einer Zeitenwende, die alte Gewissheiten, Überzeugungen und Orientierungen pulverisiert und in der kein stabiles Erfahrungswissen mehr existiert, auf das zurückgegriffen werden könnte. Im Seminar erarbeiten wir, auf welche Weise in ausgewählten Texten zentrale Diskurse der Zeit motivisch und auf narrative Weise aufgegriffen und traditionelle Erzählmuster variiert werden.