Migration
und Migrationsregime
Seminarleiterin:
Dr. Janina Puder
Zweiwöchentlich
Dienstag, beginnend ab 18.10., 14:00-18.00, LK 062
Der
sogenannte „Sommer der Migration“ im Jahr 2015 hat die öffentliche Debatte um
Migration nachhaltig polarisiert. Dabei wird meist zwischen verschiedenen
migrantischen Gruppen unterschieden: Während beispielsweise die Anwerbung und
Ausbildung von Fachkräften aus dem Ausland als Chance für die deutsche
Volkswirtschaft begriffen wird, erscheint die Aufnahme von Geflüchteten häufig
als Zusatzbelastung für den Wohlfahrtsstaat (siehe z.B. die kürzlich von
CDU-Chef Merz aufgestellte Behauptung, viele ukrainische Geflüchtete würden in
Deutschland einen regelrechten „Sozialtourismus“ betreiben, tagesschau.de
27.09.2022). Die Konkurrenz auf angespannten Wohnungs- und Teilarbeitsmärkten
sowie um den Zugang zu Sozialleistungen einerseits und die gegenwärtig steigende
Bedeutung von Grenzen und nationalstaatlicher Souveränität andererseits kann
dabei rassistische Ressentiments erzeugen bzw. befeuern, die wiederum
innergesellschaftliche Spaltungslinien hervorbringen.
Im
Umgang mit Migrationsbewegungen tritt der Staat als regulierende Instanz auf.
Die politische und institutionelle Steuerung der Migration navigiert dabei im
Spannungsfeld zwischen den Ansprüchen der Wirtschaft, der (Arbeits-)Bevölkerung
und den Migrant*innen selbst. Dies führt zur Herausbildung dessen, was in der
soziologischen Debatte u. a. als „Migrationsregime“ bezeichnet wird. Der
Regimebegriff verweist sowohl auf historische Kontingenzen als auch auf
Umbrüche im Umgang mit Mobilität und der Präsenz von Migrant*innen. Die
jeweiligen Regime unterscheiden sich dabei voneinander, je nach
gesellschaftlicher Sphäre und (sozial‑)räumlichem Kontext. Jedes Teilregime ist
durch eigene institutionelle Normen, Strukturen und Handlungsweisen geprägt.
Einige Migrationsregime überlappen einander, andere wiederum stehen sich
konflikthaft gegenüber (Oltmer 2016: 345).
Das
Seminar geht von der Annahme aus, dass die Perspektive auf und die Regulierung
von Migration zu einem bedeutenden Anteil durch die dynamische Entwicklung
kapitalistischer Gesellschaften geprägt werden. Dementsprechend wird der
Themenkomplex „Migration und Migrationsregime“ vor dem Hintergrund der
kapitalistischen Vergesellschaftung der Arbeit und Produktion diskutiert. Dies
schließt u. a. Fragen nach der globalen und nationalen Arbeitsteilung sowie nach
der spezifischen Ausbeutung migrantischer Arbeitskraft ein. Doch auch der
Umgang mit Fluchtmigration (inkl. der zukünftig relevanter werdenden
„Klimamigration“) ist Gegenstand des Seminars. Nach einer grundlegenden
Einführung in die Thematik nähern wir uns an marxistische bzw.
klassenspezifische und feministische Perspektiven auf Migration und
Migrationsregime an. Vor allem vier Regime stehen dabei im Zentrum der
Betrachtung: Akkumulations- bzw. Ausbeutungsregime, Arbeitsregime, Grenz- und
Fluchtregime. Gleichzeitig werden die (autonomen) Praktiken der Migrant*innen
im Hinblick auf ihre Mobilität, ihre soziale Reproduktion und ihre
Selbstorganisation in den Fokus der Analyse gerückt. Anhand von Beispielen aus
verschiedenen Weltregionen soll eine Verbindung zwischen den im Seminar
erarbeiten theoretischen Konzepten und beobachtbaren Migrationsdynamiken
hergestellt werden.
Literatur
Oltmer,
Jochen (2016), Das Aushandeln von Migration: Historische und historiographische
Perspektiven, ZSE, Jg. 14, H. 3, S. 333–350.
tagesschau.de
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/merz-ukraine-105.html