Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Globale
Umweltveränderung (WBGU) fordert eine transformative Wissenschaft; eine
Wissenschaft also, die normativ auf Nachhaltigkeitsziele ausgerichtet
ist und so langfristig gutes Leben auf Erden ermöglichen soll. Doch was
bedeutet gutes Leben? – Diese Frage steht aktuell hoch im Diskurs:
Klassische wachstumsorientierte Wohlstandsindikatoren, wie das BIP oder
der GINI-Koeffizient, werden durch den Happiness-Index, die
Doughnut-Ökonomie und Nachhaltigkeitsindizies ergänzt oder ersetzt. Zu
altbekannten Werten mit einem schwachen Nachhaltigkeitsbegriff wie
Effizienz und Effektivität treten Diskurse über Suffizienz und
Kreislaufwirtschaft aus der Perspektive eines starken
Nachhaltigkeitsbegriffs.
Zeitgleich stehen unsere Städte unter vielfältigen Einflüssen:
Klimawandel, Energie- und Mobilitätswende, Zuwanderung, veränderte
Konsummuster wirken auf die Entwicklung unserer Städte. Unsere
diversifizierten Gesellschaften prägen insbesondere in den Städten und
Metropolregionen ein buntes nebeneinander unterschiedlicher
Lebensentwürfe. Dabei ist die Frage „Was bedeutet Lebensqualität?” vor
allem in der aktuellen Entwicklung von Innenstädten drängend.
Im Seminar untersuchen wir Antworten auf die Frage „Was bedeutet
Lebensqualität in der Innenstadt?”. Strömungen im aktuellen Diskurs
werden aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven (insb.
Städtebau, Wirtschaftswissenschaften, Sozialwissenschaften und
Umweltpsychologie) genauer betrachtet, unterschiedliche Sichtweisen und
vermeintlich gleiche Narrative werden herausgearbeitet.
Mit Hilfe von Methoden der transformativen Wissenschaft werden
anschließend in Kleingruppen Antworten auf die Frage nach Lebensqualität
von verschiedenen Zielgruppen im Quartier Innenstadt Nord in Essen
eingeholt und analysiert: Welche Bedeutung von Lebensqualität finden wir
vor? Wie knüpfen diese an die o.g. Diskurse an oder werden von ihnen
aufgegriffen? Im Sinne der transformativen Lehre entstehen zusammen mit
Akteur:innen vor Ort wie Migrantenselbstorganisationen, Künstler:innen,
soziale Träger usw. kleine interventionen im Raum, die theoretische
Überlegungen in der realen Lebenswelt testen und weiterentwickeln. Die
Ergebnisse werden kreativ dokumentiert, präsentiert und in einem
Kurzbericht zusammengefasst. Sie können eine Grundlage für weitere
soziale Innovationen der engagierten Multiplikator:innen bilden, wie die
Entwicklung von Gemeinschaftsprojekten oder Interventionen im Raum.
Das Seminar findet in Präsenz im Seminarraum und im Essener Quartier
City Nord statt. Es beinhaltet Phasen der eigenständigen Arbeit allein
und in Tandems.
Das Seminar wird von Martina Nies durchgeführt. Sie verknüpft ihre
praktischen Expertisen zum Engagement für Nachhaltigkeit im urbanen Raum
mit ihren fachlichen Perspektiven der Geografie und Umweltpsychologie.
Zudem bringt sie ein breites Netzwerk an Expert:innen ein. Die
Studierenden profitieren so von einem Kurs, der durch inter- und
transdisziplinares Arbeiten einen umfassenden und praktischen Einblick
in das hochaktuelle Thema der Innenstadtentwicklung gibt.
Lernziele:
Die Studierenden kennen konventionelle und alternative Instrumente
zur Messung von Wohlstand sowie den aktuellen Diskurs über gutes Leben
und Lebensqualität in den Nachhaltigkeitswissenschaften. Die
Studierenden können diesbezüglich Narrative aus Gesellschaft, Politik
und Wirtschaft erkennen und kritisch refkletieren.
Die Studierenden verfügen über anwendungsorientierte Kenntnisse und
Methoden der transformativen Wissenschaft und können Interventionen im
Raum durchfürhen und auswerten.
Weiterhin stärken die Studierenden interpersonelle, strategische
sowie normative Kompetenzen. Dabei erlangen bzw. festigen sie zugleich
berufsrelevante Fähigkeiten im Bereich Projektmanagement,
Problemlösungskompetenz, Zeitmanagement und Kommunikation.